Shrinking: Trauer und Heilung

“I’m a psychological vigilante”

Was tut man, wenn plötzlich die große Liebe stirbt? Wie kann man nach so einem Schock weitermachen? Darf man das überhaupt?

Jimmy Laird (Jason Segel) verbringt das erste Jahr als zu junger Witwer mit viel Alkohol, einigen Sexarbeiterinnen und damit, seine Tochter Alice (Lukita Maxwell) zu vernachlässigen.

So kann es nicht weitergehen. Das wissen seine Nachbarin (die sich während Jimmys ‚Trauerjahr‘ hauptsächlich um Alice kümmern musste), und seine Kolleg:innen Paul und Gaby (Harrison Ford und Jessica Williams) – natürlich merkt er es selbst auch und erreicht seinen Tiefpunkt, als er verkatert in seiner Praxis vergeblich versucht in die Rolle eines kompetenten Therapeuten zu schlüpfen.

Das gelingt ihm nicht ganz – er gähnt, während sein traumatisierter Patient versucht, mit ihm zu kommunizieren und schreit eine weitere Patientin frustriert an. Keine typischen (oder empfohlenen) Methoden, die ein Psychiater nutzen sollte. Dieser letzte Ausrutscher geht glücklicherweise – zumindest vorerst – gut und Jimmy sieht dies als Motivation, um seine traditionelle therapeutische Herangehensweise von Grund auf zu ändern: Er wird seinen Patient:innen nur noch die Wahrheit sagen. Er mutiert zum „psychological vigilante“, sehr zu Pauls, der auch sein Boss ist, Leidwesen. Diese neue Methode soll allen Beteiligten und nicht zuletzt Jimmy selbst beim Heilprozess und beim Wiederaufbau seines Lebens helfen.

Natürlich steht auch die Beziehung zu seiner ebenfalls trauernden Tochter im Mittelpunkt seines Selbstoptimierungsprozesses.

Ob diese Art, krampfhaft ein Reset-Button zu finden, immer gut geht, ist fraglich.

Paul und Gaby sind nicht nur dekorative Charaktere, die lediglich dazu dienen, Jimmy bei seinen Problemen zu begleiten. Pauls komplexe Beziehung zu seiner inzwischen erwachsenen Tochter wird ebenfalls intensiv in der Serie behandelt, genau wie Gabys Scheidung. Trotz ihrer problematischen Lebenssituationen zeigen sie Jimmy und Alice, dass nicht nur Blutsverwandte zur Familie gehören.

Das Gleiche gilt für das wunderbare Ehepaar Liz und Derek, das unglaublich viel zum Handlungsstrang beiträgt und zusätzlich den Zuschauern die unkonventionellste Art, die Liebe zu einer anderen Person zu zeigen, darstellen. Diese leicht „aggressive“ Beziehung (nicht im Sinne von missbräuchlich oder gewalttätig) ist die amüsanteste und sympathischste Darstellung in derzeit laufenden Serien und definitiv die komödiantische Geheimwaffe der Drehbuchautoren.

Trotz der tiefen Trauer, die die Charaktere in sich tragen, konnten Bill Lawrence (Scrubs, Ted Lasso), Brett Goldstein (Ted Lasso) und Jason Segel (Freaks and Geeks, HIMYM) auf sehr humorvolle Art Jimmys Heilungsprozess und Beziehungen zu anderen Charakteren aufzeigen.

Erfreulich, aber nicht erstaunlich ist, dass bereits eine zweite Staffel angekündigt wurde – die Alternative wäre bei dem, im wahrsten Sinne des Wortes, Cliffhanger auch nur unverschämt.

Die Serie ist sympathisch, lustig und hat eine kathartische Wirkung – wenn uns diese verdammten Streaming-Plattformen nur endlich wieder ordentliche Staffeln mit mindestens 20 Folgen geben würden, statt dieser mickrigen 10, dann wäre diese Serie wie viele andere unaufhaltsam.


★★★★★

„Shrinking“ ist auf Apple TV+ abrufbar.

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